Wir sind noch lange nicht in der Informationsgesellschaft angekommen

44510298_94d217a4e6_bIch bin schon drin, oder was?” fragte Boris Becker 1999 in einem Werbespot eines Internet Providers. Seitdem sind mehr als zehn Jahre vergangen und man könnte den Eindruck gewinnen, fast alle sind schon drin im Internet und sind somit in irgend einer Form Teilnehmer an der Informationsgesellschaft. Eine jüngst publizierte Studie hat offenbahrt, dass vor allem die Älteren in der Schweiz nicht drin sind, d.h. oft noch Offliner sind, es also einen digitalen Graben der Generationen gibt.

Eine aktuelle Studie aus Deutschland hat jetzt für eine gewisse Ernüchterung aber auch Klarstellung gesorgt, angekündigt wurden via Twitterspannende Ergebnisse“.

Suggerieren Werbesport wie der o.g. und viele Medien inzwischen den Eindruck, dass (fast) alle drin sind und dies gleichbedeutend mit der Teilhabe an der Informationsgesellschaft sei, so wird dies durch die Studie “Die digitale Gesellschaft in Deutschland – Sechs Nutzertypen im Vergleich” stark relativiert. Die Pressemitteilung vom 18. März 2010 trägt die Überschrift “Große Mehrheit der Deutschen ist nicht Teil der digitalen Gesellschaft“. Die Studie wurde von der Initiative D21 in Auftrag gegeben; methodisch wurden für die Studie insgesamt 1014 Telefoninterviews Ende 2009 in Deutschland durchgeführt, die Stichprobe ist repräsentativ (vgl. S. 6 der Studie).

Zwar sind laut (N)ONLINER Atlas 2009 knapp 70 Prozent der Deutschen online, aber für nur 26 Prozent der Bevölkerung sind die digitalen Medien fester Bestandteil des täglichen Lebens.” [Pressemitteilung 18.3.2010] ‘Drin sein‘ im Internet bedeutet also noch lange nicht auch die aktive Teilhabe an der Informationsgesellschaft. Der (technische) Anschluss an das Netz ist also das eine, damit aber auch als Bürger aktiv umzugehen das andere. Die Studie formuliert das als eine neue Digitale Spaltung, die sich nicht ausschliesslich an einer Ausstattungsgrenze entlang zieht, sondern sie “definiert sich im Hinblick auf Kompetenz, Wissen, Nutzungsvielfalt und -intensität sowie der Einstellung gegenüber den digitalen Medien“. Eine Zusammenfasung der Ergebnisse zu den Aspekten Infrastruktur, Internetzugang, Kompetenz und Wissen ist hier zu finden.

Die Studie hat eine Typologie der Deutschen in der digitalisierten Gesellschaft entwickelt, die sechs Nutzertypen umfasst: Digitale Aussenseiter, Gelegenheitsnutzer, Berufsnutzer, Trendnutzer, Digitale Profis und die Digitale Avantgarde. Die Profile entwickeln sich vom Digitalen Aussenseiter bis zur Digitalen Avantgarde grob zusammengefasst wie folgt: Abnehmender Altersdurchschnitt, zunehmender Männeranteil, zunehmende formale Bildung, zunehmendes Einkommen. Das heisst also, dass die aktiveren Teilnehmer an der Informationsgesellschaft eher jünger, eher männlich, eher höher gebildet und eher gut verdienend sind. Der digitale Generationengraben wird hier also bestätigt, aber es zeigen sich auch so mach andere Gräben auf. Von einer aktiven Informationsgesellschaft zu sprechen, die tatsächlich (fast) alle mitnimmt unabhängig von Alter, Geschlecht, Bildung oder Einkommen, ist also immer noch verfrüht.

Es zeigt sich aber auch klar, dass es eben längst nicht ausreicht – aber selbstredend notwendig ist -, Schulen und Ältere und Frauen etc. mit prestigefördernden Kampagnen ausstattungsmässig ans Netz zu bringen. Der beste PC mit dem schnellsten Internetanschluss ist weitgehend nutzlos im Hinblick auf eine aktive teilhabe an der Informationsgesellschaft, wenn nicht gleichzeitig die Informations– und Medienkompetenz der Zielgruppen aktiv gefördert wird. Dies sind Schlüsselqualifikationen der entstehenden Informationsgesellschaft. Und auch die angeblich in die digitale Welt hinein geborenen Digitial Natives oder Millenials müssen diese Kompetenzen erst lernen! Was nutzt der Internetfähige PC im Klassenzimmer, wenn Lehrer ihn nicht bedienen können und Lehrpläne die digitale Welt immer noch nicht berücksichtigen.

Insofern rückt die Studie der Initiative D21 die Entwicklungen ins rechte Licht: “Es gibt viel zu tun, packen wir’s an” wie ein anderer Klassiker der Werbung aus dem Jahr 1974 formuliert.

Die Studie ist Online ausführlich dokumentiert: “Die digitale Gesellschaft in Deutschland – Sechs Nutzertypen im Vergleich“.

Bildquelle: flickr.com/ TaranRampersad (CC Lizenz)

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