Informationsgesellschaft und Infrastrukturpolitik im Alpenraum – Bericht zur ArgeAlp Fachtagung 2010

Foto 1aAm 23. und 24. September 2010 fand in Chur die ArgeAlp Fachtagung 2010: Informationsgesellschaft und Infrastrukturpolitik im Alpenraum (Vorbericht) mit ca. 40 Teilnehmern statt.

Ein wichtiges Ziel der Tagung war „speziell im Alpenraum Transparenz in diese Entwicklung zu bringen“. Die Tagung wurde intiiert durch die im Juni 2009 beschlossene Resolution der Mitgliedsländer der Arge Alp zur Informationsgesellschaft und Infrastrukturpolitik (pdf) der Konferenz der Regierungschefs der ArgeAlp.

Gleich zu Beginn wurde bereits in den Eröffnungsreferaten des Rektors der HTW Chur, Jürg Kessler, sowie Regierungsrat Martin Schmid festgestellt, dass die Erwartungen bisher nicht alle erfüllt wurden. Kessler forderte die Schaffung einer „Wissensregion Alpen“ und die Definition mindestens einer konkreten Idee und deren Umsetzung als Ergebnis der Tagung. Schmid stellte fest, dass vor allem bei vielen Beteiligten das Bewusstsein für die Entwicklungen nicht genügend ausgeprägt ist.

Johann Cas vom Institut für Technikfolgen-Abschätzung der Österr. Akademie der Wissenschaften hielt seinen Vortrag zum Thema Informationsgesellschaft und IKT ganz ohne die Nutzung neuer Medien. Er diskutierte u.a. wichtige Faktoren zur Entwicklung von Regionen:

  • Soziale Netzwerke entwickeln
  • Entwicklung von Visionen
  • Unterstützung des kontinuierlichen Lernens
  • Effektive Leadership (im Sinne von Vorreiterrolle, Beispielgebend)
  • Ausgewogenes Verhältnis zwischen regionaler Offenheit (Lernen von anderen Regionen) und Geschlossenheit (bewahren der regionalen Identität).

Robert Stabl, BICCnet Bavarian Information and Communication Technology Cluster, berichtete über Innovationsansätze aus vier Jahren Clustermanagement im IKT-Bereich in Bayern. Eines der aufgezeigten Beispiele ist die Süd-IT AG, ein Unternehmen, das Aktivitäten verschiedener Partner im Sinne eines virtuellen Unternehmens bündelt. Für Stabl ist die Clusterbildung auch in der Alpenregion ein Mittel der Innovationsförderung.

Manfred Riedl vom Amt der Tiroler Landesregierung Abteilung Raumordnung – Statistik berichtete über Breitband-Initiativen als Instrumente der Regionalentwicklung in Tirol. Der Focus liegt hier klar auf der Infrastrukturentwicklung in Tirol, die vom Markt nicht erbracht werden kann. Kritisch stellt er fest, dass die Anforderungen der Digitalen Agenda der EU bzgl. Breitbandausstattung in Tirol nicht umsetzbar sind. Ebenfalls stellte er fest, dass heute viel zu wenig Focus auf mögliche Anwendungen gelegt wird und auch der regionale Aspekt viel zu kurz kommt: „Die gesellschaftliche Bedeutung der IKT-Anwendung und Nutzung wird im regionalen Kontext unterschätzt”. Riedl verwies in seinem Vortrag u.a. auch auf Ergebnisse des Interreg III B-Projektes PUSEMOR (pdf).

Rolf Hofstetter von der HTW Chur plädierte für die Entwicklung von Public WLAN in touristischen Gebieten. „PWLAN entsprechen einem Bedürfnis unserer Gäste“ stellt er fest.

Boris Spycher vom Amt für Raumentwicklung Graubünden berichtete über den Bestand der Kommunikationsinfrastruktur in Graubünden, basierend auf einer Studie (pdf). Der Focus lag klar auf der technischen Infrastruktur, Anwendungen wurden nicht thematisiert. Durchaus erstaunlich war die Feststellung, dass bei der Ausstattung mit Breitbandtechnologie bei sehr hohen Bandbreiten (20MBit/s) der Kanton Graubünden sogar über dem Landesdurchschnitt in der Schweiz liegt. Die Kabelnetzabdeckung liegt allerdings unter dem Landesdurchschnitt (72% GR zu 90% CH).

Urs von Arx, Leiter Sektion Mobil- und Satellitenfunkdienste, Bundesamt für Kommunikation BAKOM, präsentierte einen Überblick über Anstehende Vergabeverfahren für Mobilfunkfrequenzen in der Schweiz.

Markus Fischer präsentierte in seinem Vortrag Informationsgesellschaft Schweiz: von der Strategie zur Umsetzung vor allem den Rückstand der Schweiz in vielen Vergleichen zur Entwicklung der Informationsgesellschaft. Er weisst darauf hin, dass die Entwicklung der verschiedenen Initiativen zur Informationsgesellschaft in der Schweiz viel zu lange dauert. Er zeigte konkret die Entwicklungen seit der ersten Strategie zur Informationsgesellschaft des Bundesrates aus dem Jahr 1998 auf. So habe z.B. die Entwicklung einer digitalen Identität acht Jahre gedauert. Und die SuisseID konnte auch nur aufgrund der konjunkturellen Stabilisierungsmassnahmen des Bundes entwickelt werden. Aufgrund des Schweizerischen Föderalismus gäbe es eben kein zentrales Programm und damit auch kein Budget für solche Massnahmen. Deswegen müsse ein Bottom Up gewählt werden, wie er jetzt mit dem Projekt E-Economy lanciert wurde. Hier stehen weniger Infrastrukturfragen als vielmehr Anwendungen mit entsprechenden Priorisierenden im Mittelpunkt. Fischer mahne auch die mangelnde Informationskompetenz insbesondere bei Lehrenden in der Schweiz an. Die „Bedeutung der ICT und deren Nutzung wird allgemein unterschätzt“. Sein Fazit: „Die Schweiz iat unter diesen Aspekten (noch) nicht zukunftsfähig“.

Markus Bodemann stellte die grenzüberschreitende Gemeindeplattform gemnova.net vor. Die Plattform unterstützt Gemeinden im Gemeinde Management, bisher sind 279 Tiroler und 116 Südtiroler Gemeinden beteiligt.

Frank Koch, ZHAW, referierte zum Thema IT Offshoring und dessen Bedeutung für die Schweizer Informationsgesellschaft. Er adressierte vor allem den Mangel an Fachkräften im Bereich MINT.

Zu Beginn des zweiten Tages stellte Stefano Longano das trentinonetwork.it vor. Diese Infrastrukturmassnahme wird zu 100% aus der Provinz Trient finanziert, das gesamthafte Investitionsvolumen lieg bei 410 Mio EUR. Seine Aussage: Die Region schafft eine Grundversorgung, da der Markt keine entsprechende Versorgung herstellen kann.

Elena Bensi, TIS innovation park, präsentierte als Anwendungsprojekt das Projekt Sicheres Wohnen. Ziel ist es, Älteren länger das Leben in den eigenen vier Wänden zu ermöglichen. Das erfolgreiche Pilotprojekt soll auf ganz Südtirol ausgedehnt werden. Wichtige Elemente sind in dem Projekt u.a. Teleüberwachung- und Telehilfsleistungen, die mit Hilfe von Sensor Networks realisiert werden. Teil der Leistungen sind z.B. auch Übungen zur kognitiven Rehabilitation und Bewegungsübungen, die entsprechend überwacht und ausgewertet werden können. Ziele sind u.a. die Verbesserung der Qualität von Sozialdiensten, die Verminderung von Notfalldiensten und die Senkung der Kosten.

Alexander Starcevic, Graubünden Ferien, präsentierte den Stand der e-Tourismusprojekte in Graubünden. Seine Learnings aus dem bisherigen Verlauf des Projektes sind:

  • Die wichtigsten Stakeholder müssen an einem Strick ziehen
  • Die Technik kommt zuletzt, es geht um Geschäftsmodelle, Organisation, Rechtliches und Anwendungen, Technik als letztes!
  • Wenn politisch durchsetzbar: Top Down Approach, Möglichst auf EIN System, Integration bringt zu viel Komplexität
  • Ausdauer ist gefragt, schnelle Erfolge sind nicht zu erwarten
  • Ressourcen müssen gesichert sein.

Die Kooperation mit dem Tourismuskonzern TUI bezeichnete er als „revolutionäres Vertirbsmodell für Graubünden“.

Zum Abschluss präsentierte Hans-Dieter Zimmermann von der FHS St. Gallen in seinem Vortrag Der Alpenraum auf dem Weg zur innovativen eRegion in Europa (Folien) einige Erfahrungen und Ideen zur Entwicklung einer eRegion im Alpenraum und stellte das Konzept der LivingLabs vor (mehr zum Vortrag).

Als Fazit der Tagung lässt sich festhalten,

  • dass tatsächlich viele Ziel und Erwartungen bisher nicht erreicht wurden,
  • dass ein entsprechendes Bewusstsein zu den Möglichkeiten der IKT in der Region unzureichend ausgeprägt ist,
  • dass technische Netze notwendig und wichtig sind, aber längst nicht ausreichend, um die Informationsgesellschaft zu entwickeln und
  • dass es nach wie vor an entsprechenden Anwendungen fehlt.

Es bleibt zu hoffen, dass die ArgeAlp die durchaus kritischen Mahnungen der Tagung aufnimmt und in den weiteren Aktivitäten entsprechend adressiert. Schade war, dass zumindest am 2. Tag kein Verantwortlicher der ArgeAlp vor Ort anwesend war.

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